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Mietvertrag mit Kaufoption unter Umständen, stellt auf Grundlage der Umsatzsteuer-Richtlinie eine Warenlieferung dar

2017-10-27

So das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 4. Oktober 2017 im Fall C-194/16 Commissioners for Her Majesty’s Revenue & Customs.

Die Sache betraf die britische Gesellschaft Mercedes-Benz Finanacial Service UK, die ihren Kunden drei Standardverträge zur Finanzierung der Nutzung von Kraftfahrzeugen anbietet: einen Standardmietvertrag, einen Finanzierungsleasingvertrag und einen Mietvertrag mit Kaufoption, der Merkmale der ersten beiden Varianten vereint und der es nach Angaben der Anbieterin den Kunden ermöglichen soll, sich erst nach Fahrzeugübergabe zwischen Miete und Kauf zu entscheiden.

Der Rechtsstreit betraf die Frage der Qualifizierung der gemäß einem Standardvertrag erfolgenden Übergabe von Kraftfahrzeugen als mehrwertsteuerpflichtige Umsätze. Der Europäische Gerichtshof hatte keine Bedenken in Bezug auf die zwei ersten durch die Gesellschaft abgeschlossenen  Vertragsarten, indem:

  • der Mietvertrag zu Dienstleistungsverträgen qualifiziert wurde, infolge dessen dieser bei jeder monatlichen Zahlung besteuert wird, wobei die Höhe der Monatsrate die Bemessungsgrundlage bildet,

  • der Leasingvertrag als Lieferung von Gegenständen qualifiziert wurde, infolge dessen die gesamte Mehrwertsteuer bei der Fahrzeugübergabe fällig ist, wobei der Gesamtlieferpreis die Bemessungsgrundlage bildet.

Bedenken erweckte der dritte von, durch den Steuerpflichtigen angebotenen Verträgen. In diesem Vertrag vorgesehenen Monatsraten sind grundsätzlich niedriger als die des Leasingvertrags – sie betragen insgesamt ausschließlich etwa 60% des Fahrzeugkaufpreises einschließlich der Finanzierungskosten. Möchte der Nutzer die Kaufoption für das Fahrzeug ausüben, muss er also noch etwa 40 % des Kaufpreises entrichten. Der Betrag der „Abgeltungsgebühr” entspricht dem durchschnittlichen geschätzten Restwert des Fahrzeugs bei Vertragsende. Knapp die Hälfte der Leasingnehmer üben die Kaufoption aus.

Der Kern des Streits betrifft de facto die Auslegung von Art. 14 Abs. 2 Buchst. b) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates und die Frage, ob der durch die Gesellschaft abgeschlossene Mietvertrag mit Kaufoption die Bedingungen erfüllt um ihn als Lieferung von Gegenständen auf Grundlage der angeführten Vorschriften anzuerkennen, im Sinne der, als Lieferung von Gegenständen die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen Gegenstand zu verfügen, auch die tatsächliche Warenübergabe nach dem Mietvertrag oder unter Vereinbarung von Zahlungsaufschub betrachtet wird, der die Klausel enthält, dass das Eigentum spätestens mit Zahlung der letzten fälligen Rate erworben wird.

Aus dem Urteil ist zu schließen, dass ein Leasingvertrag, nach dem das Eigentum spätestens mit Zahlung der letzten fälligen Rate oder eines geringen Werts in der Tat eine Lieferung von Gegenständen darstellt. Dies betrifft auch den Fall, wenn der gegebene Vertrag die Kaufoption enthält, und die Ausübung dieser Option für den Steuerpflichtigen eine wirtschaftlich rationale Möglichkeit darstellt (d.h. der Zahlungsbetrag verhältnismäßig niedrig im Vergleich zum Marktwert des Leasinggegenstands ist). Folglich ist die gesamte Umsatzsteuer von einer solchen Transaktion bei der Übergabe des Leasinggegenstands fällig, wobei der Gesamtlieferpreis die Bemessungsgrundlage zu bilden hat.

Das besprochene Urteil hat eine große Bedeutung für Parteien von Finanzierungsleasingverträgen. Dem zufolge stehen die Landesvorschriften im Gegenstand der Leasingbesteuerung mit der Umsatzsteuer im Widerspruch zu der Umsatzsteuerrichtlinie und dem Urteil des EU Gerichtshofs. Somit kann man bald entsprechende Änderungen in dem polnischen Umsatzsteuergesetz erwarten. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass die Qualifizierung vom besprochenen Vertragstyp als Lieferung von Gegenständen wesentlich die Finanzliquidität von Unternehmern beeinflussen wird, die bei der Übergabe des Leasinggegenstands die gesamte Umsatzsteuer zu entrichten haben werden.

Barbara Otrzonsek, tax consultant, ATA Finance.