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Durch Besitz eines wirtschaftlichen Arbeitgebers in einem Entsendestaat schließt die Anwendung der 183-Tage-Klausel aus und entschiedet über die Besteuerung in Ausland

2015-05-21

Die Ausübung einer unselbständigen Arbeit außerhalb des Steuersitzlandes kann für den Steuerpflichtigen die Steuerabführungspflicht an den ausländischen Fiskus bedeuten. Wesentlich für die Entscheidung über eine eventuelle Besteuerung kann die Tatsache des Besitzes des so genannten wirtschaftlichen Arbeitgebers in dem Entsendungsstaat sein, was der Direktor des Finanzkammer in Katowice in einer am 22. April 2015 erteilten individuellen verbindlichen Auskunft (unter dem Aktenzeichen sygnatura akt IPPB4/4511-115/15-2/JK2) für einen von seinem österreichischen Arbeitgeber zur Arbeit nach Polen entsendeten und von den Steuerberatern ATA TAX Sp. z o.o. vertretenen, in Österreich steueransässigen Bewohner bestätigt hat.

In den meisten Doppelbesteuerungsabkommen, auch in dem Abkommen zwischen Polen und Österreich (weiter DBA genannt), wird die Frage der Besteuerung der Vergütungen aus den in einem anderen Staat als der Wohnstaat des Arbeitnehmers ausgeführten unselbständigen Arbeit durch den Art. 15 geregelt. Grundsätzlich sind die durch eine Person die in dem jeweiligen Staat aus der unselbständigen Arbeit erhaltenen Vergütungen nur in diesem Staat zu besteuern. Soll jedoch die Arbeit in einem anderen Staat ausgeführt werden, dann darf die Vergütung auch in dem anderen Staat besteuert werden. Dabei ist im Art. 15 Abs. 2 des DBA eine Abweichung von der o. g. Regel vorgesehen: durch die so genannte 183-Tage-Klausel wird die weitere Besteuerung der Vergütung in dem Aufenthaltsstaat unter den drei gesamt zu erfüllenden Bedingungen erlaubt:

  1. der Empfänger hält sich im anderen Staat insgesamt nicht länger als 183 Tage während des betreffenden Steuerjahres auf und
  2. die Vergütungen werden von einem Arbeitgeber oder für einen Arbeitgeber gezahlt, der nicht im anderen Staat ansässig ist, und
  3. die Vergütungen werden nicht von einer Betriebstätte oder einer festen Einrichtung getragen, die der Arbeitgeber im anderen Staat hat.

Die zweite von der o. g. Bedingungen bezieht sich auf das so genannte Konzept des wirtschaftlichen Arbeitgebers (im Gegensatz zu dem Konzept des so genannten formellen Arbeitgebers), was in der besprochenen Auskunft von dem Finanzminister bestätigt worden ist. Gemäß dem Kommentar zum OECD-Musterabkommen soll ein Subjekt, der Vergütungskosten trägt und das Recht auf Ausführung von Arbeiten hat sowie die damit verbundene Gefahr und Verantwortung trägt, als wirtschaftlicher Arbeitgeber betrachtet werden. Um feststellen zu können, ob ein anderes als das formelle Beschäftigungsverhältnis besteht, sollten folgende Kriterien geprüft werden:

  • das Weisungsrecht gegenüber dem Arbeitnehmer in Bezug auf den Modus der Arbeitsausführung,
  • die Kontrolle über und Haftung für den Erfüllungsort,
  • die direkte Rechungsausstellung über die Vergütung der natürlichen Person durch den formellen Arbeitgeber an das Unternehmen, zu dessen Gunsten die Leistungen erbracht werden,
  • die Stellung der für die Arbeitsausführung benötigten Werkzeugen und Materialien zur Verfügung des Arbeitnehmers,
  • die Bestimmung der Zahl und der Qualifikation der Arbeitnehmer, welche die Arbeit auszuführen haben,
  • das Recht auf Auswahl der natürlichen, zur Ausführung der Arbeit bestimmten Person und auf die Beendigung des mit dieser Person geschlossenen vertraglichen Verhältnisses zwecks Arbeitsausführung,
  • das Recht auf Verhängen von Disziplinärstrafen , in Bezug auf die Arbeit dieser natürlichen Person,
  • die Festsetzung von Urlaubszeiten und Arbeitsstunden der natürlichen Person.

Gleichzeitig sollten die o.g. Kriterien, wie auch die anderen in dem Kommentar enthaltenen Hinweise bei der Feststellung behilflich sein, ob in dem Sachverhalt von einer aktiven oder passiven Leistung die Rede ist – d.h. ob die von einer natürlichen Person erbrachten Dienstleistungen als Dienstleistungen im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses oder als Dienstleistungen auf Grund des zwischen den Unternehmen geschlossenen Vertrages über die Erbringung von Dienstleistungen zu betrachten sind. In dem Fall der passiven Leistungen und bei der Annahme, dass es in dem Entsendestaat einen wirtschaftlichen Arbeitgeber gibt, wird die Versteuerung der Einkünfte des Arbeitnehmers in dem Entsendungsstaat auch dann möglich, wenn sein Aufenthalt die 183 Tage nicht überschreitet. Zu Gunsten der Annahme, dass die durch die natürliche Person erbrachten Dienstleistungen einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des diese Dienstleistungen empfangenden Unternehmens darstellen, können in der Praxis die folgenden Faktoren sprechen: z. B. die Anwendung der Betriebsordnung, insbesondere in Bezug auf die Arbeitsschutz- und Arbeitshygienevorschriften, in der empfangenden Gesellschaft, sowie der Regelungen der Arbeitszeiten und den freien Tagen sowie Abstimmungen der Urlaubszeiten mit den Vertretern der empfangenden Gesellschaft. Dafür spricht auch die Tatsache, dass durch die empfangende Gesellschaft die für die Arbeit benötigten Arbeitswerkzeuge und Materialien (z.B. Telefon, Kraftwagen, Laptop) zur Verfügung stellt und tatsächlich für die Ergebnisse und das mit der Arbeit verbundene Risiko, besonders im Lichte der im Entsendungsvertrag fehlenden Sanktion gegenüber dem entsendenden Träger aus nicht zufrieden stellenden Arbeitsergebnissen, haftet.

Der Begriff des wirtschaftlichen Arbeitgebers ist auch für die Auslegung der letzen Bedingung der 183-Tage-Klausel wesentlich. Soll ein ausländischer Subjekt in Polen keinen Betrieb oder keine feste Geschäftseinrichtung haben, von denen die Rede in dem DBA ist, oder auch selbst im Falle deren Besitzes werden sie nicht als wirtschaftlicher Arbeitgeber betrachtet, dann wird diese Bedingung erfüllt werden.

Die o.g. Überlegungen scheinen vor allem eine wesentliche Bedeutung für alle Unternehmen zu haben, die ihre Beschäftigten zur Arbeit nicht im Rahmen der in Polen geführten Projekte, sondern direkt zur Arbeit zugunsten von anderen – meistens mit ihnen verbundenen – Gesellschaften entsenden. Es lohnt sich dann zu prüfen, ob die durch die beiden Parteien angenommene Aufteilung der Kosten, des Risikos und der Haftung nicht einen wirtschaftlichen Arbeitgeber in Polen einrichtet. In einer solchen Situation kann es nicht ohne Bedeutung sein, ob die Aufenthaltsdauer in dem jeweiligen Staat die berühmte 183 Tage überschreitet hat, sowie die Tatsache dass in dem Aufenthaltsstaat das Konzept des offiziellen Arbeitgebers gilt.