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Erbringung von Dienstleistungen kann auch zur Entstehung einer Betriebsstätte führen

2016-06-02

Die polnischen Steuerpflichtigen, welche über Geschäftsbeziehungen mit Wirtschaftsträgern aus Tschechien verfügen, sollten noch gründlicher als bei Geschäftsbeziehungen in anderen Staaten überprüfen, ob sie im Sitzstaat ihres Geschäftspartners zur Abführung der Körperschaftssteuer verpflichtet würden. Denn das polnisch-tschechische Doppelbesteuerungsabkommen einen untypischen – wie für ein auf dem durch OECD erarbeiteten Musterabkommen basierenden – Katalog von Geschäftsvorfällen enthalten, welche die Entstehung einer Betriebsstätte nach sich ziehen können. Aus diesem Grunde sollten auch die in Polen ihre Tätigkeit aufnehmenden tschechischen Wirtschaftsträger eine Analyse durchführen, ob in diesem Zusammenhang zur Entstehung einer Betriebsstätte in Polen kommen könnte.

Gemäß dem Inhalt des Art. 5 Abs. 1 des polnisch-tschechischen DBA (sowie der anderen Abkommen) bedeutet die Bezeichnung „Betriebsstätte“ eine feste Geschäftseinrichtung, über die Wirtschaftstätigkeit des jeweiligen Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. In dem Kommentar zur OECD-Musterkonvention wird darauf hingewiesen, dass die Bezeichnung "feste Geschäftsstelle" im Besonderen Räumlichkeiten, manchmal auch die durch das betreffende Unternehmen für die Betreibung der Geschäftstätigkeit genutzten Maschinen und Anlagen. Dabei gilt als Bedingung für die Betrachtung des jeweiligen Ortes als eine feste Geschäftseinrichtung, dass der Steuerpflichtige darüber frei verfügen kann. Eine wesentliche Anforderung für die die Entstehung einer ständigen Niederlassung ist auch deren Lebensdauer.

Somit wird gemäß dem polnisch-tschechischen DBA eine Betriebsstätte in dem anderen Staat vor allem durch die Unterhaltung eines Ortes der Leitung, einer Zweigniederlassung, einer Geschäftsführungsstelle, einer Fabrikationsstätte, einer Werkstätte und eines Bergwerkes, eines Erdöl- oder Gasvorkommens, eines Steinbruchs oder einer anderen Stätte der Ausbeutung von Bodenschätzen. Mit der Notwendigkeit der Steuerabführung wird auch die Unterhaltung einer abhängigen Vertretung verbunden sein. Zugleich wird in dem polnisch-tschechischen DBA eine Reihe von Ausnahmen genannt, die Situationen betreffen, in den nicht zur Entstehung einer Betriebsstätte kommen wird. Somit umfasst der negative Katalog u.a. Nutzung von Einrichtungen, die ausschließlich zur Lagerung, Speischerung oder Anschaffung von Gütern, Beschaffung von Informationen, zur Führung von Vorbereitungs- oder Hilfstätigkeit, bzw. zur Unterhaltung von Güter- oder Warenbeständen benutzt werden.

Die Analyse der in den anderen Doppelbesteuerungsabkommen enthaltenen Definitionen der Betriebsstätte weist darauf hin, dass das polnisch-tschechische DBA in dem oben genannten Bereich von den üblichen Standards nicht abweicht. Ein Unikum stellt aber die Lautung des Art. 5 Abs. 3 dieses Abkommens dar, der üblicherweise darauf hinweist, dass bei Baustellen, Bau- oder Montagearbeiten eine Betriebsstätte nur dann entstehe, wenn die Länge des Arbeitszeitraumes über 12 Monate hinausgehe. Beim polnisch-tschechischen DBA bezieht sich dieser Absatz nicht nur auf Bau- und Montagearbeiten, sondern auch führt die Institution des so genannten Dienstleistungsbetriebes ein. Im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Buchst. b) des analysierten DBA umfasst die Bezeichnung „Betriebsstätte“ auch die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich von Beratungs- oder Managerdienstleistungen, durch das betreffende Unternehmen des Vertragsstaates oder durch die betreffenden zu diesem Zweck durch das Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter oder anderen Arbeitskräfte, jedoch nur dann, wenn die Tätigkeit dieser Art auf dem Territorium des anderen Vertragsstaates über einen Zeitraum oder mehrere Zeiträume dauert, die insgesamt sechs Monate innerhalb eines beliebigen zwölfmonatigen Zeitraum überschreiten.

Die durch Polen und Tschechien ausgehandelte Lautung der dargestellten Bestimmung kann gewisse Auslegungsprobleme verursachen. Es ist beispielsweise nicht klar, wie jene 6 Monate festzustellen sind. Es ist zu erwägen, ob das angenommene Kriterium der Tage der tatsächlichen Anwesenheit, welches für die Zwecke der Anwendung der aus dem doppelbesteuerungsabkommensrechtlichen Artikel 15 bekannten Regel, d.h. der so genannten 183-Tage-Regel, auch hier Anwendung finden wird, oder vielleicht die zeitliche Verifizierung auf den Arbeitsstunden basieren sollte. Zweifel können auch die Frage betreffen, ob jene 6 Monate als 183 zu interpretieren sind. Eine strittige Frage kann auch das sein, ob im Falle von durch das betroffene Unternehmen mehreren gleichzeitig geführten Projekten dieser sechsmonatige Zeitraum für jedes einzelne oder insgesamt festzustellen ist. Schließlich ist auch auf den Modus zu achten, nach dem der Art. 5 Abs. 3 durch die Parteien in dem Abkommen implementiert worden ist – nämlich gemäß dem Art. 5 Abs. 3 des DBA „umfasst die Bezeichnung „Betriebsstätte” darüber hinaus” auch die benannte Erbringung von Dienstleistungen (als auch die durch den Buchst. a) der dargestellten Regelung betroffenen Baustelle und Konstruktionsarbeiten).

Die Zweifel der Steuerpflichtigen in diesem Bereich stellen den Gegenstand der zahlreichen Interpretationen des Finanzministers dar. Die durch die Steuerpflichtigen gerichteten Anfragen betreffen beispielsweise das Problem, ob der Art. 5 Abs. 3 des mit Tschechien geschlossenen Abkommens seinem Wesen nach als Lex Specialis gegenüber dem Art. 5 Abs. 1 zu betrachten ist. Beispiel: Der Direktor der Finanzkammer in Katowice hat in seiner Interpretation (Aktenzeichen sygn. IBPB-1-3/4510-209/16/MO) darauf hingewiesen, dass wenn eine Geschäftstelle eines ausländischen Unternehmers in Polen die Definition der Betriebsstätte im Sinne des Art. 5 Abs. 1 des polnisch-tschechischen DBA erfüllen werde, dann soll die Tatsache bedeutungslos bleiben, ob die Definition die Voraussetzunge für die Entstehung einer Betriebsstätte im Sinne des Art. 5 Abs. 3 erfülle. Dagegen hat der Direktor der Finanzkammer in Warszawa in seiner Interpretation (Aktenzeichen sygn. IPPB5/423-351/14-2/PS) vom 27. Juni 2014 der Stellungnahme eines Steuerpflichtigen stattgegeben, wo der letztere behauptet hat, dass die im Art. 5 Abs. 3 Buchst. b) des polnisch-tschechischen DBA enthaltene Definition gegenüber der im Art. 5 Abs. 1 des DBA enthaltenen Definition der Betriebsstätte einen besonderen Charakter habe. Der Antragsteller ist der Meinung, dass wenn die jeweilige Tätigkeitsart in die Definition der Betriebsstätte gehören werde, ohne jedoch diese Definition im Ganzen (z.B. wegen der Überschreitung des erwähnten sechsmonatigen Zeitraums) zu erfüllen, dann solle man das eventuelle Bestehen der Betriebsstätte im Kontext der sonstigen Definitionen – und vor allem der im Art. 5 Abs. 1 enthaltenen Definition der festen Geschäftsstelle – nicht mehr überprüfen. Die herangezogenen Interpretationen führen somit zu verschiedenen Schlussfolgerungen. Und so im Sinne der ersteren könnte eine Betriebsstätte im Falle der Erbringung von Dienstleistungen sogar dann entstehen, wenn deren Erbringungszeitraum über 6 Monate nicht hinausgehe, soweit die Merkmale für die Unterhaltung einer festen Geschäftsstelle im jeweiligen Staat erfüllt worden seien. Und im Sinne der letzteren [Definition] hätte die Bedingung der Unterhaltung einer festen Geschäftsstelle keine Bedeutung.

Die polnischen Wirtschaftsträger nehmen sehr gerne Zusammenarbeit mit deren südlichen Nachbarn auf. Allein im Jahre 2015 haben sich die tschechisch-polnischen Handelsumsätze laut Angaben des tschechischen Statistikamtes auf über 16 Milliarden EUR belaufen, sodass man umso mehr erwarten dürfte, dass die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen (davon auch Manager- und Beratungsleistungen), sowohl in die eine als auch in die andere Richtung, keine Seltenheit darstellt. Die in dem polnisch-tschechischen DBA enthaltene Abweichung von der aus den anderen Doppelbesteuerungsabkommen bekannten Definition der Betriebsstätte – durch den Einschluss der Erbringung von Dienstleistungen in den Definitionsbereich – bringt den Steuerpflichtigen, besonderes im Lichte der unklaren Vorschrift, das Risiko, dass die Abführung von Körperschaftssteuern im Staat der durch diese Steuerpflichtigen erbrachten Dienstleistungen unumgänglich wird.