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Die Möglichkeit der Vorsteuerrückerstattung an einen ausländischen Unternehmer nach der Liquidation der Niederlassung in Polen – Entscheidung des Woiwodschaftsverwaltungsgerichtes WSA in Warschau vom 10 November 2015

2015-11-26

Durch das Urteil vom 10 November 2015 (Az. sygn. akt III SA/Wa 118/15 und III SA/Wa 119/15) hat das Woiwodschaftsverwaltungsgericht (Wojewódzki Sąd Administracyjny – WSA) in Warschau die Möglichkeit bestätigt, dass ein ausländischer, in Polen über eine später abgewickelte Niederlassung steuerbare Tätigkeiten ausübende Unternehmer die Vorsteuerrückerstattung beantragen dürfe. Der ausländische Unternehmer als aktiver Umsatzsteuerpflichtiger behalte in einer solchen Situation das Recht auf Korrektur von Umsatzsteuererklärungen (VAT-Erklärungen), die auch den Abrechnungszeitraum betreffen, in welchem die steuerpflichtigen Umsätze über eine Niederlassung in Polen ausgeübt worden sind.

Nach dem Tatbestand, welcher den Gegenstand des Verfahrens darstellt, habe die in Deutschland ansässige Gesellschaft in Polen ihre Wirtschaftstätigkeit grundsätzlich über eine Niederlassung eines ausländischen Unternehmers ausgeübt, jedoch einen Teil von Geschäften direkt durch die Gesellschaft, d. h. unter Ausschluss der Niederlassung, getätigt. Im Laufe der Zeit habe die Gesellschaft beschlossen, die Niederlassung abzuwickeln, ohne dass sie sich als Umsatzsteuerpflichtige Unternehmer in Polen austragen lassen habe. Trotzdem, bereits nach der Löschung der Niederlassung im KRS (im Nationalen Gerichtsregister) habe die Gesellschaft Belege in Besitz genommen, gemäß denen die Korrektur der Umsatzsteuererklärungen für die Tätigkeitszeiträume der Niederlassung sowie der Antrag auf die Vorsteuerrückerstattung begründet worden seien. Der Finanzamtleiter hat aber die Steuerrückerstattung verweigert, indem er als diesbezügliche Grundlage das Erlöschen der steuerlichen Identifikationsnummer NIP angegeben hat, welche nach der Meinung der Steuerbehörde der Niederlassung zugeteilt worden sei und nach deren Auflösung durch die Gesellschaft nicht mehr benutzt werden dürfe – denn mit der Beendigung der rechtlichen Existenz solle auch die NIP-Nummer erlöschen. Der Direktor der Finanzkammer ist während des Berufungsverfahrens zu den anderen Schlussfolgerungen mit dem folgenden Hinweis gekommen, dass bei der Löschung der Niederlassung im KRS und bei der Einstellung der in Polen steuerpflichtigen Umsätze die Gesellschaft deren Steuerpflichtigenstatus und somit das Recht auf die Korrektur der Steuererklärungen für den Zeitraum verloren habe, während dessen sie die Umsatzsteuerpflichtige Unternehmer gewesen sei. Diese Stellung hat zur Folge gehabt, dass Direktor der Finanzkammer die Entscheidung des Finanzamtsleiters in Bezug auf die Verweigerung der Vorsteuerrückerstattung zu Gunsten der ausländischen Gesellschaft aufrechterhalten hat. 

In einer mündlichen Begründung des Urteils vom 10. November 2015 (Aktenzeichen sygn. akt III SA/Wa 118/15 und III SA/Wa 119/15) hat das WSA in Warschau die Rechtmäßigkeit der durch die Gesellschaft in ihrer Beschwerde präsentierten Stellung bestätigt, indem dieses Gericht die angefochtene Entscheidung außer Kraft gesetzt hat. Das WSA hat der Behauptung zugestimmt, dass eine ausländische Gesellschaft im Sinne des Art. 15 Abs. 1 des polnischen Umsatzsteuergesetzes weiterhin ein Umsatzsteuerpflichtiger sei. Die Definition des Steuerpflichtigen sei im breiten Sinne zu verstehen, und dies bedeutet, dass die Ausführung von in Gebiet Polens zu versteuernden Tätigkeiten nicht als eine für die Betrachtung der betreffenden Gesellschaft als einen steuerpflichtigen Unternehmer im Sinne der erwähnten Vorschrift unumgängliche Bedingung betrachtet werden dürfe. Die Tatsache, dass die rechtliche Existenz der Gesellschaft in Deutschland nicht aufgehört hat, und diese Gesellschaft ihre zu versteuernden Tätigkeiten dort ausführt, lasse behaupten, dass sie weiterhin über den Status des Umsatzsteuerpflichtigen im Sinne des Art. 15 Abs. 1 des polnischen USt-Gesetzes verfüge. Denn die Niederlassung in Polen sei bloß eine organisatorische Einheit eines ausländischen Unternehmers gewesen. Die Löschung der Niederlassung im KRS bedeute keinen Verlust des   Umsatzsteuerpflichtigenstatus, weil ja die Gesellschaft selbst, und nicht deren Niederlassung, als die Umsatzsteuerpflichtige bleibe. Dies lässt zur Schlussfolgerung kommen, dass das Löschen einer Niederlassung eines ausländischen Unternehmers nicht daran hindert, einen solchen Unternehmer die vorher abgelegten Umsatzsteuererklärungen korrigieren zu lassen. Die Verweigerung des Rechtes auf die Korrektur würde eine wesentliche Verletzung des Neutralitäts- und Angemessenheitsprinzips bedeuten. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht auf eine andere wesentliche Verfehlung im Gedankengang des Fiskus hingewiesen, welcher behauptet hat, dass der Gesellschaft angeblich, und zwar wegen des Verlustes des Umsatzsteuerpflichtigenstatus, kein Recht auf Korrigieren der Erklärungen zugestanden hätte. Sollte man die Argumentation des Fiskus als begründet annehmen, dann müsste man ja zu einer wesenhaft absurden Schlussfolgerung kommen, dass in einer gegensätzlichen Situation – wenn die Korrekturen zur Begleichung von steuerlichen Rückständen führen sollten – der Steuerpflichtige keine Steuerrückstände nachzuzahlen hätte, wenn die von ihm angelegten Korrekturerklärungen im Lichte des angeblichen Verlustes des Umsatzsteuerpflichtigenstatus durch die Steuerbehörde abgelehnt worden wären.

Dieses Urteil kann eine grundlegende Bedeutung für andere ausländische Steuerpflichtige haben, in deren Sachen der Fiskus zu falschen Schlussfolgerungen gekommen ist, dass die Beendigung der rechtlichen Existenz einer Niederlassung eines ausländischen Unternehmers oder die Einstellung der Ausführung von im Gebiet Polens zu versteuernden Aktivitäten automatisch zum Verlust des Umsatzsteuerpflichtigenstatus in Polen führe. Denn über den Steuerpflichtigenstatus verfügt immer die Gesellschaft selbständig, nicht aber deren Niederlassung, und die Gesellschaft allein behält das Recht, die vergangene Perioden betreffenden mehrwertsteuerlichen Abrechnungen zu korrigieren.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. 

Die ausländische Gesellschaft wird in der Streitsache mit den Steuerbehörden u.a. von Herrn Marcin Sobieszek, dem Partner und Steuerberater bei ATA Tax Sp. z o.o., vertreten.